Für drei Stunden wurde der seit über 30 Jahren als Musentempel bewährte Lichthof des Vaterstettener Rathauses in einen Opernsaal verwandelt. Die Neue Chorgemeinschaft hat unter ihrem Leiter Konstantin Köppelmann der Gemeinde noch vor der Sommerpause einen großen Saisonhöhepunkt bieten wollen. Mit dem barocken Heldenepos „Issé“ des Pariser André Cardinal Destouches wurde ein mutiges Projekt gewagt: Die Fassung in fünf – im Ursprung waren es nur drei – Akten und in der Originalsprache sollte zur deutschen Uraufführung gereichen.
Seit 28 Jahren durch die Partnerschaft mit Allauch frankophil angehaucht, dürfte dieses dreistündige Eintauchen in die Sprache des westlichen Nachbarn in Vaterstetten das geringste Verständnisproblem bereitet haben, zumal der Veranstalter sich der Mühe eines 36-seitigen Programms mit dazu gelieferter Übersetzung unterzogen hat.
Als wieder bestens gelungen darf mit Sicherheit die instrumentale Unterstützung durch das Barockensemble „Sans-Souci“ auf historischen Instrumenten bezeichnet sein, denn schon der Name steht für Qualität. Hervorgehoben werden darf das Flötistinnenduo mit Almut Freitag und Luise Manske, die nach Bedarf Alt- und Sopranflöten Themen tragend in feiner und subtiler Abstimmung stets wunderbar führende Aufgaben erfüllten. Nicht nur optisch auffallend war auch die Theorbe (Langhalslaute) von Helmut Weigl, mit der der zeitgenössische Generalbass betont werden konnte. Für das harmonische Gerüst im Continuo standen auch Veronika Braß (Cembalo), Felix Strass (Violoncello) und Günter Holzhausen (Violine) bestens Pate. Glückwunsch an Köppelmann mit der Besetzung der Gesangssolistenrollen.
Geneigt zum Vergleich hatten die Zuhörer wohl den zuverlässigen Eindruck einer hoch- wie auch gleichwertigen Besetzung mit Alice Oskera-Burghardt, Roswitha Schmelzl (beide Sopran); Sebastian Schober (Tenor), sowie den Baritonstimmen von Thomas Hamberger, Christian Maria Schmid und Bernhard Spingler. Emotional berührend waren mit Sicherheit alle Duos. Ob Roswitha Schmelzl als Doris mit Christian Maria Schmid als Pan oder Alice Oskera-Burghardt in der Rolle der Nymphe Issé im synchronen Auftritt mit Sebastian als Philémon.
Überrascht hat auf jeden Fall der über fünfzigstimmige Chor. Köppelmann führte das Ensemble sehr geschickt. Selten wirkte der Chor besser als an diesem Abend, weil auch die Sicherheit in Ausstrahlung umgesetzt werden konnte. Die Präsenz des Klangkörpers war positiv auffallend im Duett der Frauenstimmen, wenn es darum ging, auch Dichte im Tempo zu halten. Dass beide zwar sicheren Männerstimmen dennoch unterbesetzt sind, konnte auch durch den Trick der Aufstellungsmischung nicht überdeckt werden.
Nicht nur der aus Sicherheitsgründen erforderliche Auftritt des Hauptamtsleiters Götz Beckenbauer machte wieder klar, dass die Sehnsucht nach einem Bürgersaal fast schmerzliche ZÜge annimmt. Chor und Orchester benötigten fast die Hälfte des Erdgeschossbereiches. Dass in der zweiten Empore die Akustik und auch die mehr als wohltemperierte Luft nicht mehr so der Hit sein können, soll aber den guten Geschmack am Hochgenuss diesen besonderen musikalischen Leckerbissens nicht schmälern.
Ebersberger Zeitung, 29.7.2010