29. April 2012 , 19 Uhr, „Zum Kostbaren Blut Christi“, Vaterstetten
Alexandre Guilmant: „Ave verum corpus“
Camille Saint-Saens: „Messe à quatre voix et orgue“ Op. 4
„Justorum animae“
„Tu es Petrus“
Chorgemeinschaft Vaterstetten
Orgel: Tobias Skuban
Leitung: Konstantin Köppelmann
Das musikalische Talent des 1835 geborenen Camille Saint-Saëns wurde schon sehr früh von seiner Mutter und seiner Großtante erkannt und gefördert. Mit 3 Jahren konnte er bereits lesen, und im Alter von sechs Jahren schrieb er seine ersten Kompositionen. Schon mit elf Jahren gab er 1846 sein erstes öffentliches Konzert in der Salle Pleyel in Paris und wurde daher von manchen Zeitgenossen ähnlich wie Mozart als Wunderkind gehandelt.
Am Pariser Konservatorium studierte Saint-Saëns Klavier bei Camille Stamaty, Orgel bei François Benoist und Komposition bei Jacques Fromental Halévy. 1852 wurde er mit siebzehn Jahren Organist von Saint-Séverin in Paris und lernte in diesem Jahr auch Franz Liszt kennen, der musikalisch einen nachhaltigen Einfluss auf ihn ausüben sollte. Ein Jahr später wurde seine erste Sinfonie aufgeführt. Seine Anstellungen als Organist gab er nach zweimaligem Wechsel 1877 schließlich auf, um sich ganz der Komposition widmen zu können, nachdem er von 1861 bis 1865 zusätzlich an der École Niedermeyer Klavier unterrichtet hatte. Zu seinen Schülern zählte dabei auch Gabriel Fauré.
Neben Sinfonien, Konzerten und Kammermusik komponierte Saint-Saëns auch mehrere Opern, die allerdings allesamt nicht besonders erfolgreich waren und heute eher vergessen sind. Die Pariser Uraufführung von „Samson et Dalila“, einem seiner bekannteren Bühnenwerke, fand erst 1892 statt, nachdem es schon 1877 in Weimar und Lyon gespielt worden war.
Wesentlich mehr Erfolg hatte Saint-Saëns mit seinen Kompositionen für Orchester, wie der als „Orgelsinfonie“ bekannten Sinfonie Nr. 3 in c-Moll, dem Cellokonzert in a-moll, den Klavierkonzerten und mit einer Reihe von sinfonischen Dichtungen. Sein 1858 vollendetes „Oratoire de Noël“ erfreut sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit und nimmt inzwischen einen festen Platz im Bereich der weihnachtlichen Kirchenmusik ein.
Nach dem deutsch-französischen Krieg setzte sich Saint-Saëns verstärkt für eine nationale französische Musik ein und gründete 1871 gemeinsam mit César Franck die „Société Nationale de Musique“. Saint-Saëns stand den Einflüssen der zeitgenössischen deutschen Musik auf die französische Musik, und dabei besonders dem Kult um Richard Wagner, und später auch der Musik Arnold Schönbergs eher skeptisch gegenüber.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts galt Saint-Saëns als einer der großen Musiker des Landes, wurde 1881 in die Akademie der schönen Künste gewählt und 1884 zum Offizier der Ehrenlegion. 1913 erhielt er das Großkreuz der Ehrenlegion. Zahlreiche Reisen, auf denen er als Komponist und Pianist wirkte und auch eine Reihe von verschiedenen Aufsätzen zu musikalischen Themen verfasste, führten Saint-Saëns durch Europa, nach Nordafrika und mit 80 Jahren im Rahmen einer Tournee sogar noch in die USA. Mit 86 Jahren feierte er im Kasino von Dieppe sein immerhin 75-jähriges Bühnenjubiläum als Pianist.
Obwohl sich Saint-Saëns für eine progressive spezifisch französische Sinfonik eingesetzt hatte, blieb seine eigene Musik trotz mancher durchaus besonderer und experimenteller Klangbilder eher konservativ und galt am Ende seines Lebens als altmodisch. Eine große Ausnahme stellt sein Spätwerk „Le Carneval des Animaux“ (Karneval der Tiere) von 1886 dar, das sich durch seine sehr bildhafte Tonmalerei von der zeitgenössischen Musik deutlich abhob. Eine Sonderstellung in seinem Werk genießt auch die 1908 komponierte Filmmusik für den Film „Die Ermordung des Herzogs von Guise“.
Saint-Saëns starb 1921 hochbetagt und immer noch auf Reisen im Alter von 86 Jahren in Algier. Sein Leichnam wurde nach Paris überführt und dort auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt.
Die 1855 entstandene „Messe à quatre voix“ Op. 4 des damals 20-jährigen Komponisten verbindet auf phantasievolle Weise Elemente der Gregorianik mit der sinfonischen Tonsprache der Zeit. Das thematische Grundgerüst des Werkes stellt hierbei die berühmte „Messe Royale“ von Henry DuMont (1610 – 1683) dar, die einstimmig in gregorianischem Stil komponiert wurde und deren Themen von Saint-Saëns in allen Sätzen seiner eigenen Messe verwendet werden.
Die „Messe a quatre voix“ wurde zwar ursprünglich für Chor und Orchester komponiert, aber später für zwei Orgeln und Chor bearbeitet, wobei die Chororgel nur die Begleitung der eigentlich ebenfalls im Chorraum platzierten Sänger übernimmt. Die „Grand Orgue“ – also das auf der eigentlichen Empore platzierte Instrument – ist streng genommen vom Chor unabhängig und führt nach der gängigen Alternatim-Praxis bei nicht vom Orchester begleiteten Messkompositionen die Tradition fort, bestimmte Textabschnitte nur instrumental vorzutragen. Bei absolut authentischer Aufführungsweise würde besonders in den drei Anrufungen des „Kyrie“ quasi ein Art „Dialog zwischen den beiden Enden des Kirchenschiffes“ entstehen.
Ein besonderer Kunstgriff ist im ersten „Kyrie“ der Einbau des aus dem gregorianischen Thema entwickelten imitatorischen Chorsatzes in eine vierstimmige Orgel-Fuge. Auch in den weiteren Sätzen bleiben die gregorianischen Themenmodelle aus DuMonts „Messe Royal“ neben den frei komponierten Abschnitten stets präsent. Im „Credo“ wird hierbei die gregorianische Melodie quasi in eine modernisierte rhythmische Notation übertragen und zum vierstimmigen Chorsatz ergänzt, der quasi als „Nebenprodukt“ auch einen interessanten Einblick in die zur damaligen Zeit übliche Harmonisierung von Gregorianik gewährt.
Sehr viel später als die „Messe à quatre voix“ entstanden die beiden viel kleineren Motetten für Chor und Orgel. „Justorum animae“ komponierte Saint-Saëns 1904 als „Offertoire pour la Fête de Toussaint“ zunächst in der heute zu hörenden Fassung für Chor und Orgel. 1913 schrieb er den Orgelpart für Orchester um. „Tu es Petrus“ entstand 1914 und demonstriert wie auch „Justorum animae“ Saint-Saëns’ Fähigkeit, mit relativ sparsamen Mitteln den jeweiligen Text in eine dichte und aussagekräftige Komposition umzusetzen. Der ausgefeilte, in „Tu es Petrus“ auch teilweise nach Vorbildern des 17. Jahrhunderts imitatorisch behandelte Chorsatz überzeugt dabei ebenso wie der ihn harmonisch ergänzende Orgelpart, der teils begleitend, und teilweise auch völlig eigenständig geführt ist.
(K.Köppelmann)